Differenzierung von Blutzellen

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Differenzierung von Blutzellen

Die Differenzierung von Blutzellen ist ein zytologisches Verfahren zur morphologischen Beurteilung und prozentualen Erfassung der weißen Blutzellpopulationen im peripheren Blutausstrich. Sie stellt einen zentralen Bestandteil der hämatologischen Diagnostik dar und liefert Hinweise auf Infektionen, Leukämien, myelodysplastische Syndrome sowie inflammatorische oder allergische Reaktionen.

Die Auswertung erfolgt manuell im Blutausstrich oder automatisiert mittels Durchflusszytometrie bzw. Impedanzmessung. Die manuelle Differenzierung erlaubt zusätzlich zur Zellzählung auch die Bewertung feiner morphologischer Details.

Vorbereitung des Blutausstrichs

Für eine zuverlässige Differenzierung sind folgende Bedingungen essenziell:

  • Verwendung von frischem EDTA-Vollblut (max. 2–4 Stunden alt)
  • Erstellung eines gleichmäßigen, dünnen Ausstrichs (mit gut auslaufendem Monolayer)
  • Lufttrocknung und Fixierung mit Methanol
  • Färbung mit Pappenheim-Färbung (May-Grünwald + Giemsa)

Die Auswertung erfolgt im Monolayer-Bereich, also dort, wo sich die Zellen einzeln und ohne Überlappung präsentieren.

Manuelle Auswertung

Zur Differenzierung werden mindestens 100 Leukozyten unter Ölimmersion (100× Objektiv) ausgezählt und den Hauptzelltypen zugeordnet.

Typische Vorgehensweise:

  • Zählung in meanderförmiger Bewegung über das Ausstrichfeld
  • Dokumentation in Strichlisten oder Zählhilfen
  • Differenzierung in Zellklassen mit morphologischen Kriterien

Leukopoese-Zellklassen im peripheren Blut

Zelltyp Beschreibung Kernform Zytoplasma Anteil (Erwachsene)
Segmentkerniger neutrophiler Granulozyt Reife neutrophile Zelle Segmentiert (2–5 Segmente) blassrosa mit feinen Granula 50–70 %
Stabkerniger neutrophiler Granulozyt Unreife neutrophile Form stabförmig, nicht segmentiert ähnlich segmentiertem Neutrophilen 3–5 %
Eosinophiler Granulozyt Abwehr von Parasiten, allerg. Reaktion zweigelappter Kern stark eosinophile, grobe Granula 1–4 %
Basophiler Granulozyt Freisetzung von Histamin, selten grobsegmentierter Kern basophile Grobgranula, oft Kernüberlagerung < 1 %
Lymphozyt Spezifische Immunabwehr rund, dicht, kaum Einschnürung schmaler basophiler Saum 25–40 %
Monozyt Phagozytose, Antigenpräsentation nieren- bis bohnenförmig grau-bläulich, oft vakuolisiert 2–8 %

Optional: Blasten, atypische Lymphozyten oder reaktive Formen werden gesondert erfasst.

Normalwerte (Erwachsene) – relative Leukozytenverteilung

Zelltyp Prozentualer Anteil
Neutrophile (gesamt) 55–75 %
Lymphozyten 20–40 %
Monozyten 2–8 %
Eosinophile 1–4 %
Basophile < 1 %

Bewertung und diagnostische Hinweise

  • **Linksverschiebung:** Zunahme von stabkernigen Granulozyten → Hinweis auf bakterielle Infektion oder Regeneration
  • **Reaktive Lymphozytose:** z. B. bei viralen Infekten (EBV, CMV)
  • **Eosinophilie:** Hinweis auf Parasitosen, Allergien oder Myeloproliferationen
  • **Monozytose:** Chronische Entzündungen, z. B. Tuberkulose
  • **Blasten:** Verdacht auf akute Leukämie (sofortige Rücksprache!)

Fehlerquellen bei der Differenzierung

  • Beurteilung außerhalb des Monolayers (Zellüberlappung)
  • Unzureichende Färbung oder Trocknungsartefakte
  • Verwechslung zwischen Lymphozyten und Blasten
  • Subjektive Fehleinschätzung bei atypischen Zellformen

Bedeutung der Differenzierung in der Praxis

Die Differenzierung ist nicht nur für die Diagnostik, sondern auch für das Monitoring unter Chemotherapie, Immunsuppression oder bei infektiologischen Krankheitsverläufen entscheidend. Insbesondere morphologische Veränderungen wie toxische Granulation, Vakuolisierung oder kernatrophische Veränderungen liefern wichtige Zusatzinformationen, die automatisierte Systeme nicht erkennen können.

Literatur und Quellen

  • Skriptum Hämatologie – Berufsfachschule für MTL (2024)
  • Rili-BÄK (2023), Anlage B 3
  • Klinikleitlinien Hämatologie, DGHO
  • P. Haferlach: Zytologische Differenzierung in der hämatologischen Routinediagnostik, Laborbuch, 2022