Leukozyt
Leukozyten
Leukozyten (weiße Blutzellen) sind kernhaltige Zellen des Immunsystems und kommen im peripheren Blut, im Knochenmark, in lymphatischen Organen und in Körpergeweben vor. Sie sind essenziell für die Erkennung, Abwehr und Elimination körperfremder Strukturen wie Bakterien, Viren, Pilze, Parasiten sowie körpereigener entarteter Zellen (z. B. Tumorzellen). Leukozyten übernehmen zentrale Aufgaben sowohl in der unspezifischen als auch in der spezifischen Immunabwehr.
Morphologie
Leukozyten unterscheiden sich in Größe, Kernmorphologie und Zytoplasmaausstattung. Die Zellgröße variiert zwischen 7 µm (z. B. kleine Lymphozyten) und 20 µm (z. B. Monozyten). Aufgrund der Färbeeigenschaften und Ultrastruktur werden sie in zwei Hauptgruppen unterteilt:
- Granulozyten – segmentierter Zellkern, azurophile Granula im Zytoplasma
* Neutrophile, eosinophile und basophile Granulozyten
- Agranulozyten – runder oder bohnenförmiger Kern, keine sichtbaren Granula
* Lymphozyten (B-, T-, NK-Zellen), Monozyten
Hämatopoese und Leukopoese
Die Leukozytenentwicklung beginnt bei pluripotenten hämatopoetischen Stammzellen im roten Knochenmark. Unter Einfluss hämatopoetischer Zytokine (z. B. GM-CSF, IL-3, G-CSF) differenzieren sich Stammzellen über Progenitorzellen in die lymphatische oder myeloische Reihe:
- **Myeloide Reihe**: → Granulozyten, Monozyten
- **Lymphatische Reihe**: → B-Lymphozyten, T-Lymphozyten, NK-Zellen
T-Zellen reifen im Thymus, B-Zellen im Knochenmark oder in der Milz. Die funktionelle Prägung erfolgt in sekundären lymphatischen Organen wie Lymphknoten, Peyer-Plaques und Tonsillen.
Klassifikation
Hauptgruppe | Zelltypen |
---|---|
Granulozyten | Neutrophile, Eosinophile, Basophile |
Agranulozyten | Lymphozyten (B-, T-, NK-Zellen), Monozyten |
Unterscheidung nach Funktion
Zelltyp | Hauptfunktion | Zugehörigkeit |
---|---|---|
Neutrophile | Phagozytose, akute Entzündungsantwort | unspezifisch |
Eosinophile | Abwehr von Parasiten, allergische Reaktionen | unspezifisch |
Basophile | Histaminfreisetzung, allergische Reaktionen | unspezifisch |
Monozyten / Makrophagen | Phagozytose, Antigenpräsentation | unspezifisch |
B-Lymphozyten | Antikörperproduktion, humorale Immunität | spezifisch |
T-Helferzellen | Aktivierung von B-Zellen und zytotoxischen T-Zellen | spezifisch |
T-Killerzellen | Zerstörung infizierter oder entarteter Zellen | spezifisch |
NK-Zellen | Natürliche Zytotoxizität gegen Virus- und Tumorzellen | unspezifisch |
Funktionen
Leukozyten überwachen kontinuierlich die Integrität körpereigener Strukturen. Sie erkennen Pathogene über Pattern-Recognition-Receptors (PRRs) und Antigene, setzen Mediatoren frei, koordinieren Entzündungsreaktionen, führen Phagozytose durch und lösen Apoptose in Zielzellen aus. Zentrale Vorgänge:
- **Chemotaxis** – gerichtete Zellwanderung entlang eines Gradienten (z. B. IL-8)
- **Diapedese** – aktives Durchwandern der Gefäßwand
- **Phagozytose** – Aufnahme und enzymatische Zerstörung von Pathogenen
- **Antigenpräsentation** – Initiierung der spezifischen Immunantwort
Pathologische Veränderungen
- Leukozytose – >10.000/µl → Hinweis auf akute Entzündung, Infektion, Leukämie
- Leukopenie – <4.000/µl → z. B. bei Virusinfekten, Zytostatikatherapie, Sepsis
- Leukämie – maligne Entartung und Proliferation unreifer Leukozyten
- LAD (Leukocyte Adhesion Deficiency) – Defekte in Integrinen → gestörte Migration
Normwerte
Altersgruppe | Normbereich (Zellen/µl) |
---|---|
Neugeborene | 9.000–30.000 |
Kleinkinder | 6.000–17.500 |
Schulkinder | 5.000–15.000 |
Erwachsene | 4.000–10.000 |
Differenzialblutbild: Anteil der Leukozytensubtypen
Zelltyp | Prozentualer Anteil |
---|---|
Segmentkernige Neutrophile | 50–70 % |
Stabkernige Neutrophile | 3–5 % |
Eosinophile | 2–4 % |
Basophile | 0–1 % |
Lymphozyten | 20–45 % |
Monozyten | 2–8 % |
Bildmaterial




Fachliteratur
- Janeway et al., Immunobiology, Garland Science
- Theml, Diem, Haferlach: Taschenatlas Hämatologie, Thieme
- Delbrück H.: Chronische Leukämien, Stuttgart 2004
- Foerster M. (Hrsg.): Labordiagnostik kompakt, Urban & Fischer